Interview mit Fidan Sirin

Workshopleitung Mobiler Tanzsaal

Wie bist du zum Thema Tanzvermittlung gekommen und was ist dein persönliches Anliegen darin? 

Ich bin in der Türkei geboren, bin dann als Kind mit meinen Eltern nach Berlin-Neukölln gezogen und quasi in Clubs und Jugendzentren aufgewachsen. Das war mein zweites Zuhause, dort habe ich tanzen gelernt, obwohl meine Eltern dagegen waren. Meine erste Tanzlehrerin saß oft mit uns zusammen und wir haben erstmal CD’s gehört, geredet, und das Tanzen war dann gar nicht mehr das Wichtigste, sondern eher dieses Zusammenkommen, das Familiäre daran. Das versuche ich, wenn ich heute selbst Tanz in Jugendzentren unterrichte, auch – eine Beziehung zu den Kids aufzubauen. Später habe ich eine Erzieherausbildung gemacht aber nebenbei immer weiter getanzt, unterrichtet, Tanz-Battles für Jugendliche organisiert, einen Verein gegründet und internationale Austauschformate, z.B. zwischen Tänzer*innen aus Berlin und aus Kuba entwickelt. Ich bin auch viel mit zeitgenössischem Tanz in Berührung gekommen, und würde mich nicht als Hip-Hop-Tänzerin, eher als Allrounderin bezeichnen.

 

Welche Erkenntnisse und Erfahrungen hast Du aus der Praxis-Erfahrung mit dem mobilen Tanzsaal mitgenommen?

Ich frage mich immer zuerst, wie ich diese Kinder und Jugendliche catchen kann, und dazu muss ich sie verstehen. Woher kommen sie? Was wollen sie? Was brauchen sie gerade? Vielleicht müssen sie sich jetzt eher austoben. Dann ist mir der Tanz auch egal, und ich renne mit ihnen erstmal ein paar Runden um das Haus. Wenn man mit Jugendlichen aus sogenannten Brennpunkt-Bezirken arbeitet, ist die Beziehung das Wichtigste, das erinnere ich aus meiner eigenen Vergangenheit. Die Arbeit mit den Workshops hat auch immer dann gut funktioniert, wenn eine Ansprechperson vor Ort war, die die Kinder richtig gut kennen.

Ich habe auch gemerkt, dass die Workshops am besten laufen, wenn sie draußen stattfinden, und wenn sie offen sind, wenn jede*r kommen und gehen kann. Und wenn es gut läuft, und die Kinder motiviert sind, dann ist es wichtig dass es weitergeht. Ich denke es ist besser, weniger Orte zu haben und dafür etwas Nachhaltiges aufzubauen, statt an vielen Orten nur kurzzeitig etwas anzubieten.

 

Wo soll es hingehen mit der Tanzvermittlung in Berlin, was ist Deiner Meinung nach wichtig für die Zukunft?

Ich habe das Gefühl, dass in der Tanzszene alle mit ihren eigenen Projekten beschäftigt sind, und dass diese grundsätzliche Vernetzung fehlt. Außerdem fehlt mir Tanz im öffentlichen Raum, mein Wunsch ist dass das mehr zum Alltag gehört. Ich frage mich auch manchmal, was der Zweck von Tanzvermittlung sein soll, und wem das eigentlich etwas nützt. Vielleicht sind es nur 3, 4 Kinder von 100, bei denen das was verändert. Aber wenn ich mir selbst ehrlich die Frage beantworten soll, kann ich nur sagen, mein ganzes Leben hat ja heute mit Tanz zu tun – meine Freund*innen, mein Job, mein Kind, die ganzen Reisen die ich gemacht habe. Auch dass wir jetzt hier miteinander sprechen hat damit zu tun. Und das alles weil ich damals im Jugendclub mit Tanz in Berührung kam, von alleine wäre das nicht passiert, meine Eltern hätten mich nie in eine Tanzschule geschickt. Und dann habe ich das weiterverfolgt, und das hat bei mir innerlich was freigesetzt, hat mein Leben geformt.