Interview mit Joy Alpuerto Ritter

Workshopleitung Mobiler Tanzsaal

Wie bist du zum Thema Tanzvermittlung gekommen und was ist dein persönliches Anliegen darin? 

Ich habe Tanz in Dresden studiert und bin 2004 nach Berlin gekommen. Dort bin ich in Kontakt mit Hip-Hop, Urban Dance und Vogueing gekommen. Für mich ist die Hip-Hop-Szene ein Ort des Austauschs, der sehr zugänglich ist. Jede*r kann dort sein, unabhängig von Alter, Hintergrund, Aussehen oder Abschluss. Man lernt voneinander durchs Machen, kann den Moment mit der Musik, der Energie, den Leuten genießen. Das ist für mich ein wichtiger Ausgleich zum zeitgenössischem Tanz geworden, der ja oft eher konzeptlastig ist, was natürlich auch spannend sein kann. Die Hip-Hop-Szene ist nicht so hierarchisch geprägt oder von Institutionen abhängig. Wir trainieren in Jugendzentren oder draußen, treffen uns spontan im Park oder im Club. Viele sehr gute Hip-Hop-Tänzer*innen haben aber keine Tanzausbildung – für die ist es schwer, Anträge zu stellen oder ohne Abschluss bei einer Audition vorzutanzen. Ich bin vielleicht eine Art Pendlerin zwischen den Szenen, ich lerne von Beidem und versuche zu vermitteln.

 

Wie hast Du die Zeit mit dem Mobilen Tanzsaal erlebt?

Die Arbeit mit den Geflüchteten war lehrreich für mich. Man kann ja nicht hingehen und sagen, wir ziehen hier durch was wir wollen, sondern muss sich fragen, was brauchen die? Woran sind sie interessiert, wen kennen sie schon, wem vertrauen sie? Ich musste immer sehr spontan reagieren und schauen, wie sind die Leute, die Betreuer*innen vor Ort. Natürlich ist das nicht zu vergleichen mit einer Klasse in einer Tanzschule, und das erwarte ich auch nicht. Und natürlich waren wir in ihrem Terrain – wir waren zu Besuch und verhielten uns dementsprechend. Manchmal haben wir sie auch gefragt, ob sie uns etwas aus ihrer Kultur zeigen können, und dann haben wir plötzlich African getanzt oder syrische Tänze gelernt. Und dann sieht man, wie der Tanz eben wirklich Brücken schlagen kann. Wenn die Kids happy waren und mich gefragt haben wann ich wiederkomme, hat mich das schon berührt. Ich glaube, wenn das Projekt länger gedauert hätte, hätte es sich im Sinne von Nachhaltigkeit vielleicht mehr gelohnt.

 

Wo soll es hingehen mit der Tanzvermittlung in Berlin, was ist Deiner Meinung nach wichtig für die Zukunft?

In Berlin gibt es die bekannten Festivals für zeitgenössischen Tanz, aber es gibt wenig, das direkt Menschen anspricht, die nicht aus der Kunstszene kommen. Da kommen dann die klassischen Fragen: Ist das jetzt Tanz oder kein Tanz? Der Berliner Style ist eher konzeptuell, was ja auch okay ist. Aber dann muss man sich vielleicht auch nicht wundern, wenn Künstler*innen Stücke für Künstler*innen machen und alles in einer Blase bleibt. Mein Gefühl ist aber, dass in der Berliner Tanzszene momentan viel im Umbruch ist. Es gibt ein verstärktes Interesse an Vermittlung, am Dialog und auch an Transparenz. Ich wünsche mir für Berlin ein Tanzvermittlungszentrum, das als Sammel- und Anlaufstelle für Alle funktioniert. Ein physischer Ort, der für alle zugänglich ist und zu dem Menschen, die was mit Tanz zu tun haben oder mehr über Tanz wissen wollen, hingehen können – ein Ort des Dialogs, der Vernetzung und der Inspiration.